Ein Symptom das alle von POTS Betroffenen besondere Probleme bereitet und gerade die vorher von Sport Begeisterten ärgert, ist die Sportintoleranz. Und dazu wird von vielen Ärzten versprochen, genügend Sport wird die Gesamtsymptomatik vermindern und vielleicht das POTS selbst zum Verschwinden bringen. Da ist oft ein Vorwurf versteckt, dass wenige faule Tage, vielleicht während einer Krankheit oder eines Urlaubs, zu einem verkleinerten Herzen und zur Dekonditionierung geführt haben. Dieses kurze Ausruhen wird nun verantwortlich gemacht für das POTS, für die Synkopen, den Benommenheitsschwindel, die Schlafprobleme, die Konzentrationsschwierigkeiten, für die ständigen Kopfschmerzen, die Kurzatmigkeit, die Schulter/Nackenschmerzen, die Verdauungsproblemen usw.

Im Brigham and Women’s Hospital, Boston, Massachusetts, USA wurde nun von William M. Oldham, Gregory D. Lewis, Alexander R. Opotowsky, Aaron B. Waxman, und David M. Systrom in einer, im Vergleich zu ähnlichen Studien zu POTS und Sport, groß angelegten Studie dieser Frage genauestens nachgegangen. Cort Johnsen hat sich die Studie näher angesehen und dazu einen Text auf seinem Blog  Health Rising veröffentlicht. Auf diesem Text und der Studie  basiert folgende Zusammenfassung.

Die Forscher untersuchten über einen Zeitraum von 9 Jahren insgesamt 619 Patienten, welche unter Kurzatmigkeit nach Anstrengung litten. Diese Kurzatmigkeit (Dyspnoe) wurde von den Betroffenen und den Forschern mit Sportintoleranz gleichgesetzt. Als erstes ließen die Forscher die Probanten bis zur völligen Schöpfung auf einem Fahrradergometer strampeln. Dabei sammelten sie mit Hilfe der invasiven Spiroergometrie (iCPET) jede Menge Daten. Zusätzlich zur normalen Spirergometrie wurden bei dieser invasiven Variante noch Katheder in die Speichenartherie (Unterarm) und in die Lungenarterien eingeführt. Anschließend durften die Probanten sich für 2 Minuten ausruhen. Danach radelten sie ohne Belastung für 3 Minuten und dann wurde die Belastung soweit wieder erhöht, wie es die Fitness des jeweiligen Probanten zuließ.

Zusammenfassung der Studie

Von den Forschern war bei 10% der Probanten mit Kurzatmigkeit (diagnostiziert mit Neuropathien, POTS, Adrenal Insuffizienz) ein niedriger Qt-Wert und eine verminderte Füllung der Herzkammern festgestellt worden. Das heißt, dass sich die Herzekammern während der Diastole, das ist der Zeitabschnitt, in dem sich das Herz wieder neu mit Blut füllt, eben nicht ausreichend füllen. Drei Faktoren oder alle zusammen können dies hervorrufen. Um mehr Blut aufnehmen zu können, müssen sich die Herzkammern in der Phase der Diastole aufblähen, sich die Muskelzellen des Herzens verlängern. Ebenso wichtig ist, dass genügend Blut vorhanden ist und dieses aus dem Körper und der Lunge nachströmt um die Herzkammern zu füllen. Mit Beginn der Anstrengung verengen sich die Venen und zusammen mit der Aktion der Muskelpumpe wird das Blut aufwärts Richtung Herz bewegt.
Bei diesen sportintoleranten Probanten dehnten sich während der Belastung die Herzkammer jedoch nicht aus (Preload Insuffizienz). Die Folge der mangelhaften Füllung führte zu der geringeren Energieproduktion (VO2 max).
Um der Sache noch weiter auf den Grund zu gehen, bekam ein Teil der Probanten mit eine Volumenexpansion per IV. Dadurch konnte das Problem der niedrigen Ventrikelfüllung aber nicht beseitigt werden. Evtl. könnte bei der nur kurzfristigen Volumenexpansion die dadurch erfolgte Verdünnung der roten Blutkörperchen (Hämoglobin) zur Beschränkung des erwarteten positiveren Effekts beitragen. Eine Hypovolämie war trotzdem nicht der alleinige Grund für die verminderte Leistungsfähigkeit, sondern die Forscher nehmen an, dass bei den Probanten die Blutzirkulation, die Vasokonstriktion nicht richtig funktioniert. Außerdem gab es aufgrund der Messungen zum Sauerstoffnutzung Hinweise darauf, dass ein Teil des Blutes dem Kreislauf in metabolisch inaktiveren Bereichen „versackt“ oder die Mitochondrien der Untersuchten nicht gut arbeiten.
Dabei haben die Werte dieser Probanten mit POTS gezeigt, dass sie sich wirklich maximal angestrengt hatten. Und ein direkter Vergleich der Messergebnisse mit dekonditionieren Personen machte deutlich, dass ihre geringere Leistungsfähigkeit nicht einer Dekonditionierung geschuldet war, im Gegenteil, viele Werte waren diametral.

Die Forscher berichten auch, dass bei vielen dieser Probanten eine schwerere Infektionserkrankung der Sportintoleranz voraus gegangen war und diese evtl. durch Veränderungen im Immunsystem (z.B. Autoantikörper) eine große Rolle bei der Entwicklung der Probleme beim Sport gespielt hat. Auch unterscheiden sich diese Betroffenen nicht nur von denen mit Dekonditionierung, sondern auch eindeutig von Patienten mit Herzversagen oder anderen Herzproblemen.

Als medikamentöse Therapie wird in dieser Studie vor allem Pyridostigmin (Mestinon) und Midodrin (Gutron) vorgeschlagen, da das Hauptproblem in der mangelhaften Zirkulation verortet sei. Eine Volumenexpansion mit Astonin H (Fludrcortison) kann jedoch hinzu genommen werden. Die unterstützenden Maßnahmen wie Erhöhen der Salzmenge, Training und Tragen von Stützstrümpfe sollen jedoch immer erfolgen.

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Diese neuen Forschungsergebnisse passen zu einigen der bisherigen Erklärungsmuster von POTS und erweitern diese noch um den Faktor der Preload Insuffizienz. Was mich jedoch wundert ist, warum eine solch große Gruppe (10% der wegen Kurzatmigkeit Untersuchten) noch nicht früher so genau beschrieben und mit der invasiven Spiroergometrie untersucht wurden, obwohl sie unter starken Einschränkungen (ein Drittel kann seiner Arbeit nicht mehr nach gehen, ein Drittel kann nur Teilzeit arbeiten) im Leben leiden.
Aus der Untersuchung kann nicht gefolgert werden, dass bei POTS niemals eine Dekonditionierung vorkommt, aber diese ist nicht die Ursache, sondern sekundär eine Folge der Sportintoleranz.

Die Studienergebnisse auf den Punkt gebracht

  • Patienten mit Sportintoleranz suchen nicht selten die Hilfe von Ärzten, aber sie werden nur selten richtig diagnostiziert.

  • Dafür verantwortlich ist weder eine Dekonditionierung, noch eine Unlust sich anzustrengen, im Gegenteil, Personen mit einer unerklärlichen Sportintoleranz zeigen, im Vergleich mit dekonditionieren Personen, bei der invasiven Spiroergometrie, diametrale Messergebnisse.

  • Eine Hypovolämie verstärkt die Symptomatik, ist aber wahrscheinlich nicht die Hauptursache der Sportintoleranz.

    Vaskuläre oder mitochondriale Probleme (oder beide), aufgrund derer der Blutfluss zum Herzen bei körperlicher Anstrengung nicht im ausreichenden Maße stattfindet, sind wahrscheinlich der Hauptgrund für unerklärliche Sportintoleranz.

  • Therapien zur Verbesserung der vaskulären Probleme könnten bessere Ergebnisse bringen, als die zur Erhöhung des Bluvolumens.

  • Vielleicht ist letztendlich das Immunsystem der eigentliche Schuldige.

 

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