POTS steht für

Posturales  orthostatisches Tachykardiesyndrom

Mit Postural wird die Körperhaltung bezeichnet, orthostatisch  bedeutet aufrecht sein, die  Tachykardie beschreibt eine Beschleunigung der Herzfrequenz und die Endung Syndrom bezeichnet, dass eine Gruppe von Krankheitszeichen, die für ein bestimmtes Krankheitsbild mit meist uneinheitlicher oder unbekannter Entstehungsursache oder -entwicklung charakteristisch sind, zusammen auftreten. Ein Syndrom erfüllt nicht den Begriff einer Krankheit, da es keine einheitliche Ursache oder Entwicklung aufweist.

Eine weitere etwas kürzere und in Deutschland verbreitete Bezeichnung  für POTS ist das Posturale Tachykardiesyndrom. Das POTS und die orthostatische Hypotonie (OH)  zählen  beide zur  Orthostase-Intoleranz (ICD Code 95.1). POTS ist ein Syndrom einer Dysautonomie und zwar das einer fehlerhaften orthostatischen Anpassung. Als orthostatische Anpassung wird die Fähigkeit  des menschlichen Körpers bezeichnet, den Blutkreislauf auch im Sitzen und im Stehen optimal aufrecht zu halten:Wenn Menschen aufstehen,  würden durch die Schwerkraft ca. 500ml Blut zusätzlich in Füße, Bauchraum  und Hände fließen und damit dem restlichen Kreislauf fehlen. Um dies zu verhindern und Herz und Hirn ausreichend mit Blut zu versorgen, verengen sich sehr schnell die kleinen Blutgefäße und die Herzrate steigt um 10 – 20 Schläge pro Minute. Dies geschieht unbewusst und wird mit Hilfe des autonomen Nervensystem geleistet. Wenn das nicht richtig funktioniert, z.B. die Kapillargefäße zu weit oder zu eng gestellt werden, wird das Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. POTS  findet i.d.R. also seinen Ursprung in einer Störung unseres autonomen Nervensystems (=vegetatives Nervensystem), POTS ist eine DYSAUTONOMIE.

 

Wie wird POTS diagnostiziert?

Es ist dabei nicht die einzige mögliche Störung des autonomen Nervensystems. In Abgrenzung zu anderen Fehlfunktionen des autonomen Nervensystems, ist POTS durch ein ausgeprägtes Herzrasen in aufrechter Position im Vergleich zum Liegen gekennzeichnet. Es kann, vor allem bei längerem Stehen,  zu einer neurokardialen Synkope kommen.  In der medizinischen Diagnostik wird das POTS durch den Kipptischtest (manchmal auch durch den Schellongtest) festgestellt.  Dabei steigt die Herzrate beim Kipptischtest (passives Aufrichten vom Liegen zum Stehen) um  ≥ 30 Schläge/min innerhalb von 10 Minuten nach dem Aufrichten auf mindestens 120 Schläge/min. Bei  Kindern und Jugendlichen wird i.d.R. erst ab einer höheren Steigerung von ≥ 40 Schläge/min von POTS gesprochen. Der Blutdruck bleibt während der Messung weitgehend konstant, steigt leicht an oder  sinkt dabei nur wenig ab (<20 mm Hg). Es treten Symptome wie Schwindel, Herzrasen, Übelkeit, Schwäche und Ängstlichkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit auf. Bei einigen erfolgt der Anstieg langsamer, es dauert dann länger bis ein Anstieg >/= 30 erreicht wird, deshalb sollte die Kipptischuntersuchung nicht sofort nach 10  Minuten beendet werden. Wird der Kipptisch wieder umgelegt, lassen die Beschwerden rasch nach.

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Abbildung nach Dr. David S. Goldstein, MD, PhD and Linda J. Smith (NDRF Handbook for Patients with Dysautonomias, Link: http://www.ndrf.org/NDRF%20Patient%20Handbook/SecA_pp59-134.PDF)

Natürlich steigt der Puls bei vom POTS Betroffenen im normalen Leben, beim Sitzen und Stehen ebenfalls, die obigen Kipptischuntersuchungs-Werte sind aber (zur Zeit) wichtig für die Diagnose. Dabei ist aber festzuhalten, dass manche Betroffene auch bei niedrigeren Herzratensteigerungen  Symptome zeigen, während andere ganz gut mit höheren Steigerungen zurechtkommen. Eine Reihe von Forschern ist daher mit dem Kipptischtest als Hauptdiagnosemittel unzufrieden (siehe Link) . Die Herzratensteigerung beim Stehen ist zwar nun das wichtigste Kriterium zum Feststellen vom POTS, für die Betroffenen steht jedoch das Herzrasen nicht so im Vordergrund. Oftmals bemerken sie es kaum, sondern andere Symptome beeinträchtigen ihr Leben:

Weitere mögliche Symptome ome

  • Unverträglichkeit von Stehen und Sitzen
  • Schwindel (präsynkopaler Schwindel, so als ob man gleich umkippt)
  • Schwäche
  • „Nebel im Kopf“, Konzentrationsstörungen, Benommenheit
  • Kopfschmerzen
  • Schlafprobleme, Einschlaf- und/oder Durchschlafprobleme, selbst langer Schlaf wird als nicht erfrischend empfunden
  • Müdigkeit
  • Sportintoleranz,  körperlicher Anstrengung führt zur Verschlimmerung der Symptome
  • Übelkeit
  • reaktive Unterzuckerung
  • kalte Hände und Füße, die dabei manchmal gleichzeitg feucht sind
  • Schwitzen
  • Fleckige Haut, Haut erscheint rot und weiß marmoriert, Füße und evtl. Hände färben sich „blau“
  • Ohnmachtsanfälle, 5-10% krampfen manchmal dabei (Sauerstoffmangel in Bereichen des Gehirn); Synkopen oft verbunden mit Angst, Hyperventilation und Panikgefühl, aufgrund der Ausschüttung großer Adrenalinmengen zur Aktivierung des Herzkreislaufsystems
  • Sehstörungen
  • Zittern, Tremor
  • Kurzatmigkeit, Enge um die Brust, Thoraxschmerzen
  • Verdauungsprobleme, Bauchschmerzen (zu langsame oder zu schnelle Magenentleerung, Schluckbeschwerden,……)
  • schwere Beine

Bei medizinischen Untersuchungen  POTS Betroffener kann oft  ein zu geringes Blutvolumen festgestellt werden. Sehr häufig  sind die beim Stehen gemessenen Noradrenalinspiegel im Blutplasma zu hoch, dies könnte auf eine überstarke Aktivierung des Sympatikus, einem Teil des autonomen Nervensystems, hinweisen. Bei einem Teil der Betroffenen konnte nachgewiesen werden, dass Nervenendigungen des autonomen kardialen Nervensystems fehlen und durch diese fehlenden Nervenendigungen am Herzen, die Symptome ausgelöst werden, bei einem großen Teil der Betroffenen  fehlen z. b. die Sinneszellen des autonomen Nervensystems in der Haut. Mehr dazu unter Mechanismen.

Die Geschichte des POTS

Die Bezeichnung „POTS“ tauchte erstmals 1993 auf und zwar geht sie auf eine Forschergruppe der Mayo Clinic unter Dr. Philip Low zurück. Doch gibt es schon viel frühere Beschreibungen und Namen dieses Syndroms (z. B.  Bezeichnungen aus der US-amerikanischen Medizinliteratur:  DaCosta’s Syndrome, irritable  Heart, Mitral Valve Prolapse Syndrome, Neurocirculatory Asthenia, Chronic Orthostatic Intolerance, Orthostatic Tachycardia and Postural Tachycardia Syndrome). Als Ursache wurde ab der 90iger eine Angststörung vermutet. Inzwischen wurde diese Annahme durch Studien widerlegt. Im Moment deutet alles daraufhin, dass POTS eine Folge verschiedener Fehlfunktionen des autonomen Nervernsystems ist. Die Forschung dazu ist noch im vollen Gang, doch zeichnen sich erste wichtige Erkenntnisse ab.

Wer bekommt POTS?

POTS kann jeder bekommen. Am häufigsten sind Frauen im gebärfähigen Alter, zwischen 15 und 50, betroffen. Es gibt auch Jungs und Männer, doch der Frauenanteil beträgt 75-80%.

Kurzzusammenfassung möglicher Ursachen von POTS?

POTS kann verschiedene Ursachen haben. Es ist ein Syndrom, keine Bezeichnung für eine Krankheit.  Momentan  gängig ist die Unterscheidung in primäres und sekundäres POTS. Beim sekundären POTS steht entweder eine andere Krankheit im Vordergrund, z. B. Lupus, oder es gibt einen Gendefekt, wie beim Joint-Hypermobility-Syndrome, oder es ist die Folge einer starken Schädigung des Körpers durch Gifte, wie Alkohol und Chemotherapie, oder es ist chronisch zu wenig Blut im Kreislauf (Hypovolämie). Bekannt ist POTS auch als Folge eines längeren Aufenthaltes im Weltraum, dabei handelt es sich um Dekonditionierung. Es gibt auch Medikamente, die als Nebenwirkung POTS erzeugen können, z. B. Vasodilatoren, Entwässerungsmittel und Antidepressiva. Beim primären POTS ist bisher meist das „Warum“ unbekannt, es wird deshalb auch idiopathisches POTS genannt. Aber auch beim primären PoTS gibt es eine Ursache! PoTS ist wohl nur in Einzelfällen eine eigenständige Krankheit, isoliert ist sie auch da wohl nicht. Kein Arzt sollte sich mit der Diagnose „PoTS“ zufrieden geben, sondern es muss nach Ursachen und Parallelen Erkrankungen gesucht werden.

Primäres POTS

  • postviral (z. B.  nach Grippe, Pfeiffersche Drüsenfieber= Epstein Barr Virus, Lungenentzündung, Hepatitis C)
  • entwicklungsbedingt
  • nach großen Traumen, Schwangerschaft ….
  • Mastzellaktivierungserkrankung (Mastozystose, Mastzellaktivitätsstörung, MCAD)
  • Small-Fiber Polyneuropathien, Fehlende Nervenendungen am Herzen
  • POTS spezifische Auto–Antikörper gegen Alpha1-adrenerger-Rezeptor, Alpha2-adrenerger-Rezeptor , Muskarin-1-Rezeptor, Muskarin-2-Rezeptor, Muskarin-3-Rezeptor, Muskarin-4-Rezeptor, Muskarin-5-Rezeptor, Beta1-adrenerger-Rezeptor, Beta2-adrenerger-Rezeptor
  • ………..
  • Genetische Mutation (HYPERADRENERG, zB Noradrenalin-Transpoter-Mangel, Erbliches Alpha-Tryptasemie Syndrom)

Sekundäres POTS (nicht vollständige Liste, Ko-Erkrankungen)

  • Joint-Hypermobility-Syndrome (Ehlers Danlos Syndrome), Marfan
  • Myalgische Enzepahlomyelitis (ME/CFS)
  • Mastzellerkrankungen (MCAS, System. Mastozytose, Histamin Intoleranz)
  • Diabetes mellitus
  • Zoeliakie
  • Sjögren-Syndrom
  • Amyloidose
  • Antiphospholipid (Hughes) Syndrom (ASP)
  • Sarkoidose
  • Lupus
  • Eosinophile Ösophagitis
  • Schildrüsenüber/unterfunktion
  • Übertragung von Erregern durch Zecken (Borrelien …)
  • Multiple Sclerosis (MS)
  • Morbus Addison
  • Genmutationen
  • paraneoplastische Tumore der Lunge, Eierstöcke, Brust und Bauchspeicheldrüse
  • Störungen der Nebennieren
  • Vergiftung (zB durch Schwermetalle)
  • Chemotherapie
  • Hypovolämie
  • schwere Kopfverletzung
  • chronische Hyperventilation
  • Zentrale Apnoen (genetisch, Hirnschädigung, z.B. durch frühkindliche Zerebralparese, Neuroborreliose, Nierenschädigung,…)
  • Multisystematrophie
  • Alkoholabus
  • Anomalien am Übergang Hals/Kopf: Chiari-Fehlbildung, Syringomyelie, instabile Halswirbelsäule, (Occult) Tethered Cord
  • Liquorleck, Liquorfistel (Bindegewebsschwäche, Verletzung der Dura durch Operation, Lumbalpunktion, Unfall, Punktion durch kalzifizierte Bandscheibe….)
  • Empty-Sella-Syndrom
  •  Nussknacker-Phänomen
  • Dunbar-Syndrom
  • Synucleinopathie (Ablagerung von alpha-Synuclein in der Haut in einigen POTS Patienten festgestellt)
  •  ……..
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Überblick zur Einteilung des POTS nach primär und sekundär, nach NDRF Handbook for Patients with Dysautonomias, written by Dr. David S. Goldstein, MD, PhD and Linda J. Smith.

Link